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Gewöhnungsbedürftig

Wie wir alle schon lange wissen, geht der Gentrifizierungs-, Verdichtungs, Nachverdichtungs- und Betonwahn des aktuellen Senats und des Bezirksamtes auch am Thälmannpark nicht spurlos vorbei.

Anstatt ein Leitbild zu einer städtebaulichen und -politischen Gesamtkonzeption zu entwickeln (was ja STATTBAU mit der Voruntersuchung machen sollte und das für viel Steuergeld in den Sand gesetzt hat…), wurden und werden Bauvorhaben verwirklicht, die das Bild des Thälmannparkes schon jetzt nachhaltig verändern.

Die Bezirkspolitiker lassen sich ausschließlich von den Eigentumsverhältnissen leiten, wenn sie Bauflächen vergeben. Die Käufer bauen nun wild drauf los und achten so gut, wie überhaupt nicht darauf, wie ihre Gebäude sich in die Umgebung einpassen oder wie den zukünftigen Mietern oder Eigentümern eine äqivalente Infrastruktur gewährt werden kann. So entstehen Gate Communities, die, umzäunt, abgesperrt und abgegrenzt wie Fremdkörper in einem bisher durchdachtem Ensemble wirken. Wie fremd sich hier die neuen Einwohner fühlen, darüber kann nur spekuliert werden.

SV103697Drei große Bauvorhaben sind bzw. werden derzeit auf dem Areal verwirklicht. Der Prenzlauer Bogen thront als Gate Community gegenüber dem Krankenhaus. Er wirkt wie ein Sanatorium des Bundesnachrichtendienstes. Man bleibt mehrheitlich unter sich, nur verängstigte Gassirunden mit dem überzüchteten Rassehund werden gewagt. Die Kinder bleiben im umzäunten Areal, Kontakt zu Nachbarn wurde noch nicht beobachtet. Aber es gibt sie auch, die Familien, die sich im Bogen eingemietet haben, die sich, wie Andere auch, nach Kontakten zu ihrer Umwelt sehnen und sich durchaus im Kiez integriert haben. Denen möchte ich ihre vom Architekten gewollte Abgrenzung nicht vorwerfen. Dennoch ist es für sie schwer, aus dem vorgegebenen elitären Panzer heraus zu brechen.

SV103698Das Projekt „Ella“ mit 70 Wohnungen ist bald fertig gestellt. Hier sind die neuen Bewohner*innen wohl an der Nase herum geführt worden. Denn das Haus hat mehr Schatten, als alle anderen Wohnhäuser rundherum. Die „Ella“ wurde nämlich zwischen Krankenhaus und sozialistischer Platte rein gefercht. Viel Platz zum Spielen und für eine befürchtete Umzäunung ist da nicht zu finden.

SV103694An der Ecke Danziger Straße/Prenzlauer Allee entsteht jetzt das fetteste Bauvorhaben: die „PARAGON APARTMENTS – PRENZLAUER BERG“. Hier hat man sich das Gelände und die Bausubstanz des alten Prenzlauer Berg- Krankenhaus unter den Nagel gerissen. Wie Randbebauung SV103695aussieht, kann man hier deutlich erkennen. Interssierte Investoren hatten ja mal vor, diese Randbebauung entlang der Danziger Straße bis zur Greifswalder Straße zu vollziehen, was wir und Andere Gott sei dank verhindert haben. Hier wird es 200 Wohnungen im oberen Preissegment geben. Wo die Kinder der Neumieter mal spielen sollen und wo sie zur Schule gehen könnten, ist, wie bei den anderen Projekten, noch nicht ausgemacht. Immerhin kommt ein Biomarkt in das Untergeschoß.

Das sind alles repräsentative und teure Projekte mit teuren Wohnungen, die sich ein Normalsterblicher gar nicht leisten kann und somit das Gebiet jetzt schon erheblich „aufwerten“. Die Angst der alteingesessenen Nachbarn vor einem erhöhten Mietspiegel ist begründet, denn auch die GEWOBAG orientiert sich bei Neuvermietung an der Umgebung. Man nennt das auch Durchmischung von oben.

SV103708Die schon erwähnte Ästetik und Einbindung in das denkmalgeschützte Plattenbauensemble sind sehr gewöhnungsbedürftig. Wie die aktuellen und zu erwartenden Neunachbarschaft auf Grund der massiven Nachverdichtung ihre Freiräume suchen und sie mit den schon hier wohnenden Menschen teilt, darüber hat der Investor sicher nicht informiert. Es wird halt enger werden.

Wenn ich an den Investorentraum von 2000 Wohnungen in Hochhäuser auf dem ehemaligen Güterbahnhof Greifwalder Straße im Norden des Thälmannparkes denke, wird mir jetzt schon schlecht. Denn auch da wird es nicht um ein Einpassen in ein städtebauliches Gesamtkonzept mit einer notwendigen Planung der zugehörigen sozialen und Verkehrsinfrastruktur gehen, sondern allein um die Renditen, die so ein Projekt abwirft. Wieder werden die Neumieter und -eigentümer verschaukelt, von den tausenden Menschen, die rundherum wohnen, ganz zu schweigen. (RW)

 

Spielt nicht mit den Schmuddelkindern!

Es ist schon bedauernswert, wie sich Investoren und deren Interessenvertreter Wohnungsbau in Berlin so grundsätzlich vorstellen. Bedauernswert vor allen Dingen für die Neumieter oder -eigentümer. Das hat sowenig mit Stadtgestaltung, mit urbanen Leben und Durchmischung zu tun, wie ein Goldhamster mit Kochen. Es sind augenfällig ästhetische und architektonische, aber auch gestalterische Gründe, so dass ich den armen Reichen, also zukünftigen Bewohner neuer Stadtquartiere mein ganzes Mitleid gönne.

Am Beispiel Thälmannpark kann man es sehr gut erklären. Der Stararchitekt, der den Prenzlauer Bogen verzapft hat, nannte die dem Gebäudekomplex gegenüberstehenden Plattenbauten aus der DDR-Zeit noch hämisch Legebatterien. Immerhin sind die Zonenwohnkammern jetzt unter Denkmalschutz gestellt worden und haben damit eine langersehnte Wertschätzung unter reflektierten Architekten und Historikern erfahren.

Dagegen steht das weiße Gebäude, das so akribisch umzäunt und konsequent überwacht wird, wie ein Kathedrale der Angst da. Wo paranoide Bewohner*innen sich kaum raustrauen, um ihren hochgezüchteten Hund im Park auszuführen, entwickelt sich ein eigenes Ghetto, dass in seiner Begrenztheit wirkliche Lebensqualität massiv einschränkt. Das Mantra „Bloß nicht in Kontakt kommen mit den Unterschichten! Bloß keine Durchmischung!“ zeigt, wie armselig es unter Vermögenden zugehen kann.

Die Kinder kleben sehnsüchtig an den Zäunen, da sie neidisch auf die Altersgenossen vom angrenzenden Kindergarten oder auf den Spielplätzen der Platte sind, die so laut und frei ihrem Spieldrang nachgehen. Doch Mutti hat bestimmt eine Standortüberschreitung verboten. So bleibt es traurig und ohne Spielkameraden auf gestutzten Rasen liegen.

Das alles ist gewollt, von Investoren, beauftragten Architekten und den potenziellen Kunden. Das System ist bereits so konditioniert, dass als Wohnneubauten ganz grauenhafte oberirdische Bunker entstanden sind, die auf Sicherheit mehr Wert legen, als auf echtes und offenes Wohnen. Wie der Prenzlauer Bogen eher als Sanatorium des BND daherkommt, wirkt der ELLA-Neubau als eine römische Festung im gallischen Dorf.

Wenige Wohnungen haben hier Licht, weil man die gewaltige Baumasse zwischen Krankenhaus und Platte gequetscht hat. Große Mauern an den Eingängen zeugen von der großen Angst vor unangenehmer Berührung mit der Stadt und ihren Menschen. Das Monstrum wirkt so anorganisch in dieses Gebiet gepflanzt, dass man gespannt sein kann, wie sich die Neu-Thälmannpark-Bewohner*innen sich ihre Freiräume erkämpfen. Den armen Reichen wird hier ein Denkmal gesetzt, was zwar nicht schützenswert, aber auch mit ganz viel Geld nicht aufzuwiegen ist. Diese Kapitalanlage hätte man sich getrost sparen können.

Wenn die regierenden Parteien im Land und im Bezirk nach Wohnungsbau in Berlin schreien, kann ich mir nicht vorstellen, dass das so mit schlechtem Geschmack, unsozialer Ausrichtung und soziologisch völlig unreif flankiert werden soll. Denn abgesehen von den Mietpreisen, der halt viele Menschen von vorne rein ausgrenzt, hat diese Art Wohnungsneubau auch eine menschenunwürdige und ghettoisierende Komponente für die betroffenen Mieter und Eigentümer. Schon allein aus ästhetischen Gründen ist so den Immobilienheinis Stadtplanung nicht zu überlassen. (RW)