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BVV zum Thälmannpark: Durchmarsch verhindert

Die BVV-Sitzung Pankow am 02.03.2016, die sich zu Beginn in einer aktuelle Stunde mit dem Thälmannpark beschäftigen sollte, hatte es in sich.

Einerseits konnte man bei der Problematik der geplanten Bebauung des Güterbahnhofs Greifswalder Straße die Hoffnung bekommen, dass das alles noch nicht so in Sack und Tüten ist, wie es Baustadtrat Kirchner und Grundstückeigentümer Gerome geplant hatten. Anstatt der 400 neuen Wohnungen sollten es jetzt auf einmal 600 und zwei Hochhäuser sein!

Der Vorsitzende des Ausschusses für Stadtentwicklung und Grünanlagen, Schröder (SPD), zerlegte förmlich das Ansinnen des Bezirksamtes, dem Investor im nördlichen Thälmannpark völlig freie Hand zu lassen und eine sogenannte „Machbarkeitsstudie“, die übrigens schon die Anwohnerinitiative bereits ausführlich kritisiert hat, als Legitimation für einen ordnungsgemäße Bebauung des Areals zu benutzen.

Denn diese „Machbarkeitsstudie“ ist eine billige Power-Point-Präsentation, ohne Substanz und Tiefe. Sie wird dem verantwortungsvollen Thema weder städtebaupolitisch, noch sozial oder infrastrukturell auch nur ansatzweise gerecht. Endlich hat das mal jemand, auch außerhalb der Linksfraktion, gesagt. Das ist tatsächlich ein Grund zur Hoffnung, dass Kirchner seine Absprachen mit dem Investor Gerome eben mal nicht so einfach durchgewunken bekommt.

http://www.prenzlberger-stimme.net/ - Gerome und Kirchner - Copyright Olaf Kampmann

http://www.prenzlberger-stimme.net/ – Gerome und Kirchner – Copyright Olaf Kampmann

Anderseits bekam man, also die zahlreich erschienenen Bürger*innen und Interessenten (der Saal war rappelvoll), vorgeführt, wie verkommen, abgehoben und ideologisch indoktrinierend der Politbetrieb an sich sein kann.

Der Vertreter von Bündnis 90, Cornelius Bechtler, musste seinem Parteikollegen Kirchner zur Seite springen und die Vorgehensweisen und Methoden des Bezirksamtes verteidigen. Soweit so gut. Das tat er aber, indem er die interessierten Anwesenden als unsolidarisch, egoistisch, weltfremd und unsachlich argumentierend beschimpfte *.

Er unterstellte niedere Instinkte, Unverstand der Komplexität der Vorgänge und Undankbarkeit für gebotene Bürgerbeteiligung. Diffamierung und Diskreditierung der sich einmischenden Anwohnerinitiative bestimmten seine arroganten Ausführungen. Ich habe selten eine solche Demaskierung der eigenen Unzulänglichkeiten und solchen offenen Affront gegen jede Art von basisdemokratischer Mitbestimmung von Menschen erlebt, ein erbärmliches Armutszeugnis eines gewählten Volksvertreters.

Überhaupt sind diese Grünen Pankow, die sich 1990 mit den ehemaligen Bürgerrechtlern von Bündnis 90 zusammen gefunden haben, sowas von der Rolle, dass man mittlerweile einige CDU-Leute als reflektierter und realitätsnäher betrachten muss. Ein grüner Bezirksstadtrat, der ausschließlich seine grünbürgerliche Klientel in den hippen und hochverdichteten Jugendstilarealen des Prenzlauer Berges bedient, dem der Thälmannpark als letztes Übrigbleibsel aus der verhassten DDR, unberechenbar im Wählerverhalten, am Ende alles Kommunisten, immer völlig suspekt blieb.

Schon bei dem Kampf um die Erhaltung der Kulturstandorte vor Ort wollten die Grünen am Liebsten alles platt machen. Da wurden und werden alte Schlachten aus längst vergangenen Tagen immer noch geführt.

Dass Bechtler, frei nach dem Motto „Teile und herrsche“, den Bürger*innen vorwarf, sie wollten soziale Wohnungen, Wohnungen für Leute, die sich oft die Miete nicht leisten können und Unterkünfte für Flüchtlinge verhindern, machten viele der Anwesenden völlig fassungslos. Mit welcher bodenloser Frechheit hier soziale Schichten gegeneinander ausgespielt werden sollen, das ist unterste Schublade reaktionärer und asozialer Denke.

Als würde Gerome nur eine sozial verträgliche Wohnung oder eine Flüchtlingsunterkunft bauen. Bechtler weiß genau, das hier ausschließlich hochpreisiges Renditeprojekte verwirklicht werden, die nicht ansatzweise irgendeine Wohnungsnot lindert. Mit Falschaussagen und bewussten Manipulationen die Menschen in die Irre führen und sie auf die gewünschte Baudoktrin zu trimmen, das war das Ziel des Abgeordneten Bechtler von Bündnis 90/Grüne an diesem Abend.

Nun hat die SPD sich die Unprofessionalität des grüngeführten Bezirksamtes parteipolitisch zu Nutze gemacht und sich im Fall Güterbahnhof zumindest den Vorstellungen der Anwohnerinitiative dahingehend genähert, mit Argumenten und Sachverstand an die Problematik ranzugehen – auch wenn die 400 WE, die die SPD bauen will, nicht wirklich ein Paradigmenwechsel sind. Die Linken waren ja eh schon länger für den Grünzug vom nördlichen Thälmannpark bis zur Knieprodestraße, also beim Nutzungskonzept TeddyZweinull der Anwohnerinitiative Thälmannpark. Das Verhalten der SPD mag ein wahltaktisches Verhalten sein, kann aber den Interessen der Menschen hier vor Ort sehr hilfreich sein.

Dass man als gewählte Volksvertreter auch mit den Bürger*innen gestalten muss, (und das nicht nur in Vorwahlzeiten…) scheint zumindest bei den regierenden Bündnisgrünen in Pankow nicht angekommen zu sein. Das sah man hier im BVV-Saal in der Aktuellen Stunde zum Thälmannpark sehr deutlich. (RW)

* laut Prenzlberger Stimme war er offensichtlich neben der Spur

Nachtrag:

  • Der Einwohnerantrag wurde mit den Nein-Stimmen von Bündnis 90, CDU und Piraten abgelehnt, die SPD Fraktion hat sich enthalten, DIE LINKE mit Ja gestimmt.
  • Der Antrag der Linksfraktion, beim Landesdenkmalamt den Antrag auf Erweiterung des Denkmalbereiches Gesamtanlage Ernst-Thälmann-Park auf die gesamte Fläche des ehemaligen Gaswerks zu stellen, wurde mit den Stimmen der Linksfraktion und der SPD angenommen.

Jenseits der Trasse

„Die Duldung und Sympathie in weiten Teilen der örtlichen Kneipenlandschaft in Prenzlauer Berg (Richtung Weissensee) gegenüber Alltagsrassismus, rechtem Fußballspektrum und Nazis schafft hier die Basis fürs rechte Wohlfühlklima“

Gemeint ist die Kneipe Stumpfe Ecke, die am vergangenen Samstag ca. 50 Nazis, die sich unter Polizeischutz kennenlernen wollten und mit der Hogesa (Hooligans gegen Salafisten) Pläne schmieden konnten.

Gemeint ist die Bierquelle in der Greifswalder Straße, deren Gäste (nicht das erste Mal) an diesem Abend zwei Gegendemonstranten der NorthEast-Antifascists-Gruppe nicht nur bedrohten, sondern auch schlugen. (Bericht)

Gemeint sind weitere Kneipen und Anlaufstationen für Nazis und Sympatisanten jenseits des S-Bahnhofes Greifswalder Straße, ob es die Eastside-Sportsbar ist, oder der Thor-Steinar-Laden nahe dem Antonplatz. Die braune Brut hat sich hier dermaßen breit gemacht, dass einen Angst und Bange werden kann.

Hooligans des BFC Dynamo waren nach einem Spiel im Friedrich-Ludwig-Jahn-Sportpark sogar schon beim Schnitzelkönig gegenüber dem Thälmanndenkmal gesichtet worden.

Willy Bresch und das Lorentz-Eck, echte alteingesessene Kneipeninstitutionen, wehren sich erfolgreich gegen eine Übernahme von rechts. Und bekommen, je nach Bedarf, dafür auch Unterstützung der örtlichen Antifa.

Die Angst vor den Zuständen der 90-er Jahre, wo es noch eine stabile rechte Community auch im Thälmannpark gab, sind berechtigt. Schienen diese Zustände eigentlich längst überwunden, zeichnen Vorkommnisse der letzten Monate ein anderes Bild. Nun sieht es anscheinend so aus, dass die Gegend wieder einmal zunehmend attraktiver für das Nazispektrum wird. Der Aufmarsch der Nazis und der Hooligans in der Naugarder Straße war ein erster Warnschuss.