Wie wir alle schon lange wissen, geht der Gentrifizierungs-, Verdichtungs, Nachverdichtungs- und Betonwahn des aktuellen Senats und des Bezirksamtes auch am Thälmannpark nicht spurlos vorbei.
Anstatt ein Leitbild zu einer städtebaulichen und -politischen Gesamtkonzeption zu entwickeln (was ja STATTBAU mit der Voruntersuchung machen sollte und das für viel Steuergeld in den Sand gesetzt hat…), wurden und werden Bauvorhaben verwirklicht, die das Bild des Thälmannparkes schon jetzt nachhaltig verändern.
Die Bezirkspolitiker lassen sich ausschließlich von den Eigentumsverhältnissen leiten, wenn sie Bauflächen vergeben. Die Käufer bauen nun wild drauf los und achten so gut, wie überhaupt nicht darauf, wie ihre Gebäude sich in die Umgebung einpassen oder wie den zukünftigen Mietern oder Eigentümern eine äqivalente Infrastruktur gewährt werden kann. So entstehen Gate Communities, die, umzäunt, abgesperrt und abgegrenzt wie Fremdkörper in einem bisher durchdachtem Ensemble wirken. Wie fremd sich hier die neuen Einwohner fühlen, darüber kann nur spekuliert werden.
Drei große Bauvorhaben sind bzw. werden derzeit auf dem Areal verwirklicht. Der Prenzlauer Bogen thront als Gate Community gegenüber dem Krankenhaus. Er wirkt wie ein Sanatorium des Bundesnachrichtendienstes. Man bleibt mehrheitlich unter sich, nur verängstigte Gassirunden mit dem überzüchteten Rassehund werden gewagt. Die Kinder bleiben im umzäunten Areal, Kontakt zu Nachbarn wurde noch nicht beobachtet. Aber es gibt sie auch, die Familien, die sich im Bogen eingemietet haben, die sich, wie Andere auch, nach Kontakten zu ihrer Umwelt sehnen und sich durchaus im Kiez integriert haben. Denen möchte ich ihre vom Architekten gewollte Abgrenzung nicht vorwerfen. Dennoch ist es für sie schwer, aus dem vorgegebenen elitären Panzer heraus zu brechen.
Das Projekt „Ella“ mit 70 Wohnungen ist bald fertig gestellt. Hier sind die neuen Bewohner*innen wohl an der Nase herum geführt worden. Denn das Haus hat mehr Schatten, als alle anderen Wohnhäuser rundherum. Die „Ella“ wurde nämlich zwischen Krankenhaus und sozialistischer Platte rein gefercht. Viel Platz zum Spielen und für eine befürchtete Umzäunung ist da nicht zu finden.
An der Ecke Danziger Straße/Prenzlauer Allee entsteht jetzt das fetteste Bauvorhaben: die „PARAGON APARTMENTS – PRENZLAUER BERG“. Hier hat man sich das Gelände und die Bausubstanz des alten Prenzlauer Berg- Krankenhaus unter den Nagel gerissen. Wie Randbebauung
aussieht, kann man hier deutlich erkennen. Interssierte Investoren hatten ja mal vor, diese Randbebauung entlang der Danziger Straße bis zur Greifswalder Straße zu vollziehen, was wir und Andere Gott sei dank verhindert haben. Hier wird es 200 Wohnungen im oberen Preissegment geben. Wo die Kinder der Neumieter mal spielen sollen und wo sie zur Schule gehen könnten, ist, wie bei den anderen Projekten, noch nicht ausgemacht. Immerhin kommt ein Biomarkt in das Untergeschoß.
Das sind alles repräsentative und teure Projekte mit teuren Wohnungen, die sich ein Normalsterblicher gar nicht leisten kann und somit das Gebiet jetzt schon erheblich „aufwerten“. Die Angst der alteingesessenen Nachbarn vor einem erhöhten Mietspiegel ist begründet, denn auch die GEWOBAG orientiert sich bei Neuvermietung an der Umgebung. Man nennt das auch Durchmischung von oben.
Die schon erwähnte Ästetik und Einbindung in das denkmalgeschützte Plattenbauensemble sind sehr gewöhnungsbedürftig. Wie die aktuellen und zu erwartenden Neunachbarschaft auf Grund der massiven Nachverdichtung ihre Freiräume suchen und sie mit den schon hier wohnenden Menschen teilt, darüber hat der Investor sicher nicht informiert. Es wird halt enger werden.
Wenn ich an den Investorentraum von 2000 Wohnungen in Hochhäuser auf dem ehemaligen Güterbahnhof Greifwalder Straße im Norden des Thälmannparkes denke, wird mir jetzt schon schlecht. Denn auch da wird es nicht um ein Einpassen in ein städtebauliches Gesamtkonzept mit einer notwendigen Planung der zugehörigen sozialen und Verkehrsinfrastruktur gehen, sondern allein um die Renditen, die so ein Projekt abwirft. Wieder werden die Neumieter und -eigentümer verschaukelt, von den tausenden Menschen, die rundherum wohnen, ganz zu schweigen. (RW)
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Lieber (RW), Deinen Artikel kann ich in vielen Punkten sehr gut nachvollziehen. Nur die Stelle, wo Du die neuen AnwohnerInnen als isolierte Menschen, darstellst, finde ich etwas zu polemisch. Es gibt sie nämlich bereits, die Kontakte zu den neuen NachbarInnen und auch wenn es manchmal schwerfallen mag, sich das einzugestehen, so sind sie doch meist sehr nette und interessante Menschen und weniger profitgetriebene Geldidioten. Natürlich gibt es große Widersprüche, allein schon aufgrund der Tatsache, dass der Preis für solche Wohnungen soviel ausmacht, wie einE durchschnittlicheR Thälmann-Park-BewohnerIn in 25 Jahren monatlich zur Verfügung hat – wenn sie/er rund 2000,- Netto nach Hause bringt. Diese Kontakte kommen meist über die Kinder der Neuen zustande, die eben nicht in ihrer Gated Community eingesperrt leben, sondern sich z.B. über Schulen vorurteilsfrei kennenlernen und miteinander umgehen. Ja, es wird enger werden im Park und ja, wir müssen verdammt aufpassen, was mit den Mietpreisen etc. passiert. Die Grenzen des Engagements verlaufen aber nicht zwischen den alten und den neuen Häusern, und ich würde dafür plädieren, gemeinsam an der Zukunft hier mitzugestalten. JedeR neu hinzugezogene will es ja auch nett haben und nicht, dass gleich nochmal so ein Profitbunker vor der eigenen Nase hochgezogen wird, der ihr/ihm ihr/sein eigenes Dasein als Spiegel vors Gesicht hält. Ich kann mir auch schwer vorstellen, dass sich jemand freiwillig in ihrem/seinem Häuschen isoliert – es sei denn sie/er ist paranoid – sich nur noch auf gesicherten Bahnen bewegt und keinem Menschen auf der Straße mehr ins Gesicht gucken mag, aus Angst, als GentrifizierendeR erkannt zu werden. So will niemand leben, weshalb ich denke, dass die Neuen sich öffnen werden und ihre Möglichkeiten einbringen werden, hier im Park eine gemeinsame Zukunft mit viel viel Grün durchzusetzen. OK, ich drifte gnadenlos ab in die Untiefen des Idealismus – nimms mal als Denkperspektive :-). (MW)
„Die Angst der alteingesessenen Nachbarn vor einem erhöhten Mietspiegel ist begründet, denn auch die GEWOBAG orientiert sich bei Neuvermietung an der Umgebung. Man nennt das auch Durchmischung von oben.“
Ich kann da leider auch nur die schlechten Nachrichten bestätigen, und nicht nur bei Neuvermietungen: im benachbarten Bötzowkiez, wo in der Tat zwischen all den Eigentumswohungen noch ein paar Mithäuser der GEWOBAG stehen, gab es (und wird es weiterhin geben) deutliche Mieterhöhungen für bestehende Wohungen. Grund: die Aufwertung der Wohnlage im Mietpreisspiegel.
Nochmal deutlich: weil andere Leute jetzt ihr Haus schick haben, müssen normale Mieter von GEWOBAG-Häuser in der Nachbarschaft mehr Miete bezahlen.
Interessante Logik im Mietpreisspiegel, oder?
Seid wann wird eigentlich das Wort Neubau durchgehend durch „Gated Community“ ersetzt (hier und anderswo)? So nannte man früher doch abgeschottete Stadtviertel mit Wachschutz und eigener Infrastruktur, oder? Ich finde den ganzen Bericht schon eher sehr polemisch, und ich hoffe, dass sich nicht alle Altmieter im Viertel soweit von den neuen Nachbarn abschotten wie der Autor.
PS: Ich wohne in einem Altbau mit Innenhof. Das Tor zum Innenhof ist normalerweise zu. Ist das jetzt auch ne Gated Community? Falls nicht, warum nicht?