Der Titel dieses Buches provoziert, keine Frage. Auch ich war darüber zunächst irritiert und seltsam berührt, als ich vor knapp 7 Monaten davon Kenntnis genommen habe. Damals lagen ziemlich genau 3 Jahre Engagement mit vielen Nachbarn in unserer Anwohnerinitiative hinter mir – für den Erhalt der noch bezahlbaren GEWOBAG und Zentrumswohnungen, für den Erhalt und Ausbau von Frei – und Grünflächen, gegen die Bauwut des Bezirksamtes und eines Investors, die 600 Neubauwohnungen und mehrere Hochhäuser in das Ernst-Thälmann-Park Areal hineinpressen wollen – hochpreisiger Neubau, versteht sich.
Aber gleich kategorisch das Bauen verbieten? Da traut sich einer etwas zu fordern, was uns hier im Prenzlauer Berg sofort in die Wutbürger – Neinsager – Ecke drängen würde, das darf man doch nicht sagen, höchsten denken! Und außerdem sind Verbote nicht wirklich sexy – das klingt irgendwie nach undemokratischem Sozialismus 4.0 und gerade wir Bewohner hier im Ernst-Thälmann-Park werden mit diesem Label gerne bei jeder Meinungsäußerung bedacht.
Nun, dieses Buch ist eine Streitschrift, und fordert uns alle dazu heraus, ein Paradigma zu hinterfragen, das so alt ist wie die turm- und städtebauende Menschheit – dass das Neu-Bauen an sich gut und ein natürlicher Teil unserer Existenz ist. Dieses Paradigma stellt Daniel Fuhrhop eloquent, mit Liebe zum Detail und mit beeindruckendem Quellenmaterial in Frage. In 12 Kapiteln nimmt er die Leser auf eine äußerst spannende, anschauliche und erhellende Reise durch das komplexe Thema Bauen mit. Viele konkrete Beispiele (sowohl des bauwütigen Versagens, mehr aber des ermutigenden Anders Machens) aus der gesamten Bundesrepublik und auch aus anderen Ländern des Planeten Erde sorgen dafür, dass die Lektüre immer spannend und vor allem hoffnungsfroh bleibt.
Letztendlich geht es darum, die Randbedingungen unserer planetarischen Existenz und die Herausforderungen des von Menschen verursachten Klimawandels beim Bauen ernst zu nehmen, genauso ernst wie zum Beispiel bei der Energiewendedebatte (die ja momentan im Wesentlichen eine Stromwendedebatte ist). Daher müssen wir im Denken das radikale Verbot des Bauens fordern, um uns überhaupt in die Lage zu versetzen Alternativen entwickeln zu können. Dies ist zunächst eine geistige Tätigkeit, die eine rege und vor allem ideologiefreie Debatte und viel Zeit erfordert.
Das Finale dieser wunderbaren Streitschrift besteht aus 50 konkreten Werkzeugen für Politiker, Stadtplaner, Juristen, Architekten … Bürger*innen, um Neubau überflüssig zu machen – denn „wir müssten nicht über ein Verbot sprechen, wenn Neubau überflüssig wird“, wie Daniel Fuhrhop treffend feststellt – das hätte ebenso der Titel dieses Buches sein können – Neubau überflüssig machen. Doch wie Uwe Schneidewind im ausgezeichneten Vorwort zu diesem Buch schreibt: „Es lohnt, sich auf die Reise einzulassen, unsere Städte und Baupolitik anders zu denken. Die Diskussion über eine ´Große Transformation´ braucht genau solche mutigen Impulse.“ Und solche durchaus provokanten, aber nach der Lektüre umso mehr gerechtfertigt erscheinenden Buchtitel. Ja, wir müssen Neubau überflüssig machen, es geht ums Ganze! (Markus Seng)
Verbietet das Bauen! – Eine Streitschrift von Daniel Fuhrhop
192 Seiten, oekom Verlag München, 2015
ISBN-13: 978-3-86581-733-4
Preis: 17.95 €
Erhältlich auch als e-Book
Hat dies auf Anwohner-Initiative Ernst-Thälmann-Park rebloggt und kommentierte:
Leseempfehlung…