Die Veranstaltung am 16.10.2013 in der Wabe hat sicherlich bei allen anwesenden Beteiligten einen tiefen Eindruck hinterlassen. Der Kommentar von Stefan Strauß „Nicht vor meiner Tür“ in der Berliner Zeitung macht deutlich, dass Politiker und Journalisten allzu leicht die bekannte Deutung von sich geben, die Bürgerinnen seinen prinzipiell ganz lieb, aber ahnungslos, besitzen keine Kompetenzen, die sie im Interesse des Gemeinwesens einbringen können, und regen sich immer nur dann auf, wenn in ihrem direkten Wohnumfeld Veränderungen vor sich gehen sollen, von denen sie Nachteile erwarten. Schlussfolgernd erklärt Herr Strauß sogar, „Wer dagegen protestiert, dass in seinem Viertel Sozialwohnungen gebaut werden und auf besser geeignete Gegenden in der Stadt verweist, reagiert letztendlich nicht anders als jene, die laut rufen, das Boot sei voll.“ Wir sind also Wutbürger, Ignoranten, latente Rassisten und letztlich eine Gefahr für das Gemeinwesen, die kontrolliert werden müssen. Hm. Das sitzt dann erst mal.
Und greift viel zu kurz. Im konkreten Fall der am 16.10.2013 vorgestellten Bebauungspläne von 2 200 neuen Wohneinheiten, überwiegend durch Privatinvestoren zu erstellen, geht es eben nicht darum, Sozialwohnungen zu bauen. Selbst Unternehmen wie die GEWOBAG sprechen bei Ihren Bebauungsplänen von Nettokaltmieten über 8 € pro m². Hallo? Erde an Weltraum? Was ist daran sozial? Zu befürchten ist, dass in Zukunft winzige Wohnungen mit hohen Nettokaltmieten der Standard für alle Menschen ohne großen Geldbeutel sein soll.
Was sind denn nun also die städtebaulichen Gründe für diese Verdichtungspläne? Das wurde am Abend des 16.10.2013 nicht gesagt, man hat diese Wohnbaupotentialflächen „gefunden“. Ein Wunder!
Das Wunder hat auch einen Preis: Bei 2 200 Wohneinheiten, kalkulieren wir locker: 2 200 WE mal im Schnitt 250 000 € Verkaufswert pro Wohneinheit, dann landen wir bei 550 000 000 €. Ja, das ist eine Pi mal Daumen Rechnung, aber damit haben wir mal eine Größenordnung auf dem Tisch. grob eine halbe Milliarde € . Das fetzt. Durchaus lukrativ für Investoren und die Bauindustrie. Menschen mit wenig Geld werden sich da aber nicht einmieten können. Solche Menschen wohnen aber noch im Thälmannpark, in den Beständen der GEWOBAG und der Zentrum Genossenschaft.
Unsere Nutzungsvision sieht ein grünes Band entlang der S-Bahn Linie vor, wir haben nämlich in einem langen Lernprozess in unserer Anwohnerinitiative herausgefunden, dass das erweiterte Thälmannpark-Areal eine Bedeutung für den gesamten bereits hochverdichteten Prenzlauer Berg, also mehr als 100 000 Bürgerinnen, hat! Diese Chance wollen wir nicht durch hektische Bebauung im hochpreisigen Segment verspielen! Nein, das Boot Deutschland ist nicht voll, aber man sollte sich sehr wohl Gedanken machen, welche Kabinenbereiche schon voll sind, wo wir neue Kabinen an oder draufbauen können, wie Menschen besser mit entscheiden können, und wie viele Freiräume, soziale Infrastruktur, Bildung und Kultur wir alle im Prenzlauer Berg dringend brauchen!
Wir übernehmen Verantwortung für unsere Stadt, wir denken schon weit über unsere Vorgärten hinaus. Wir sind Ingenieure, Wissenschaftler, Handwerker, Künstler, Kreative, Denker … und Menschen die anpacken, die ihren Park sauber halten, Feste feiern, und bringen Kompetenzen mit, die eine offensichtlich ausgedünnte und überforderte Verwaltung leider gar nicht mehr zur Verfügung hat, und das alles ohne Bezahlung! Entschleunigung heißt nicht Stillstand, sondern erst denken, dann handeln. Und um den Park sauber zu halten und Unfallgefahr zu vermeiden, dazu braucht es kein Leitbild.
Markus Seng
„Zu dieser Aufklärung aber wird nichts erfordert als Freiheit; und zwar die unschädlichste unter allem, was nur Freiheit heißen mag, nämlich die: von seiner Vernunft in allen Stücken öffentlichen Gebrauch zu machen“ aus: Immanuel Kant, Beantwortung der Frage: Was ist Aufklärung?