Totalschaden

In einem Gespräch hat Bezirksstadtrat Jens-Holger Kirchner eine Erörterungsveranstaltung einmal als den „Mercedes unter den Beteiligungsformaten“ angepriesen. Man hätte eigentlich sofort darauf kommen können, dass das wohl nicht ernsthaft als Ausdruck der Wertschätzung gemeint ist, wenn es von einem Politiker der Grünen und leidenschaftlichen Fahrradfahrer kommt. Vielmehr steht es wohl für etwas, das vor allem der Repräsentation dient, unnötig teuer und irgendwie zu sperrig ist.

Und das bezeichnet die Erörterungsveranstaltung zur Voruntersuchung Thälmannpark letzte Woche nun wirklich treffend. Mit verteilten Rollen und einer Aura von Diskussionsfreudigkeit, die an Volkskammer-Sitzungen erinnerte, wurden die Stellungnahmen der Bürger abgearbeitet und mit ausgestanzten Antwortblöcken regelrecht abgebügelt. Mit einer fast ängstlichen Korrektheit, die irgendwie verdächtig schien, wurden die Eingaben nacheinander einzeln aufgerufen. Die Antworten darauf ließen diese Detailtiefe dann leider vermissen, hier begnügte man sich mit Allgemeinplätzen und Halbwahrheiten.

Nach drei Stunden war etwa die Hälfte des Pensums geschafft und etwa die Hälfte der Anwesenden gegangen. Vielleicht war an dieser Stelle auch Bezirksstadtrat Kirchner die Absurdität seines Theaters nicht länger erträglich und er bot allen Ernstes an, die Veranstaltung entweder zu vertagen oder einfach ganz abzubrechen.

Mit diesem letzten, tragikomischen Akt haben die Verantwortlichen die Voruntersuchung Thälmannpark nun endgültig vor die Wand gefahren. Auf den geschätzten Kosten von 150.000 Euro bleibt der Steuerzahler sitzen, Menschen kamen glücklicherweise nicht zu Schaden.

Dabei scheint ein Abbruch der Erörterungsveranstaltung im Grunde nur konsequent, denn der Untersuchungsbericht selber war ja ohnehin schon im letzten Oktober fertig und blieb seitdem auch praktisch unverändert. Er wurde damals hastig als „Zwischenbericht“ um deklariert, nachdem die völlig unzureichende Bürgerbeteiligung* heftig kritisiert worden war. Um diese nachzuholen, folgte dann eine öffentliche Auslegung über die Weihnachtszeit und den Jahreswechsel – eine Zeit, in der die meisten Menschen wirklich Besseres zu tun hatten, als sich auf den zugigen Fluren des Bezirksamtes Stellwände mit Baupotentialflächen und Verkehrswegeplanung anzuschauen.

Dennoch kam anscheinend eine nennenswerte Zahl von Einwendungen** zusammen, viele davon setzten sich fundiert kritisch mit den geplanten Neubauflächen auseinander, die der Kernpunkt des Gutachtens sind und offenbar schon von Anfang an als Ergebnis der Untersuchung fest standen. Erwartungsgemäß haben die Einwendungen daran auch nichts mehr geändert.

So sieht das inzwischen als „vorläufiger Abschlussbericht“ betitelte Werk nach wie vor eine massive Bebauung auf beiden Teilarealen des ehemaligen Güterbahnhofs Greifswalder Straße als einzig denkbare Handlungsempfehlung vor. Das steht im krassen Widerspruch zum eigenen Analyseteil und zu den Ergebnissen der Bürgerbeteiligung, aus denen starke Grünflächendefizite und steigende Platzbedarfe für Schulen, Kitas und Freizeitflächen im Stadtteil hervorgehen. Eine alternative Planung***, die nicht auf hochpreisigen, privaten Wohnungsneubau, sondern auf zusätzliche Grünflächen und Platz für soziale Infrastruktur setzt, findet in dem Gutachten gar keine Erwähnung.

Nachdem man kürzlich auch noch vom Denkmalschutz für den Thälmannpark „überrascht“ wurde, weil man das Thema während der ganzen Untersuchung bewusst ignoriert hatte, bleibt von dem Gutachten nun nicht mehr viel Substanz übrig. Es ist nur noch eine geradezu lächerlich aufgeblasene Empfehlung, dem Immobilienhändler, der das ehemalige Güterbahnhofsgelände für n Appel und n Ei gekauft hat, endlich sein heiß ersehntes Baurecht zu verschaffen. (AH)

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*Über das riesige Areal wurde auf nur einem einzigen Workshop gerade mal eine Stunde diskutiert, das Erweiterungsgebiet am Saefkowpark kam erst später dazu und konnte dort noch gar nicht behandelt werden. Genau dort ist aber der Großteil der Bebauung vorgesehen. Eine gesonderte Beteiligung für Kinder und Jugendliche fand nicht statt.

**Siehe z.B. die Stellungnahme der Anwohner-Initiative Thälmannpark

***Siehe auch das Konzept von Anwohnern www.teddyzweinull.de

3 Gedanken zu „Totalschaden

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  2. Pingback: Pressestimmen zur Erörterungsveranstaltung | Anwohner-Initiative Ernst-Thälmann-Park

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